Sunday, 12 July 2009
Der Traum eines Piraten.
Wie Sterne, denen man entgegen strebt, funkelte das Licht der Sonne im Meereswasser. Jede Welle ließ eine weitere Fontäne des Sternenregens über den, durch das Wasser aggressiv pflügenden Bug, des Schnellbootes.
Mohammed Yusuf Hussein hielt sich fest, jedoch nicht aus der Furcht vom Boot zu fallen, sondern aus der Ungewissheit welche ihn erwartet, auf diesem Unterfangen, zu dem er sich mit seinen 19 Jahren bereit erklärt hatte.
Durch das schäumende Wasser, in das tiefe Blau des Ozeans blickend, dachte Mohammed an seinen Vater, seinen Großvater und Urgroßvater, möge Allah sie beschützen, welche alle ihr Leben auf diesem Meer, als stolze Fischer verbracht hatten. Er dachte an die Lieder die er noch als kleines Kind beigebracht bekommen hatte. Jene Lieder die das Wasser und die Fische, und das damit verbundene Leben, Allah dankend, priesen, und bei der Arbeit gesungen wurden, und ihn an ein Gefühl der Geborgenheit erinnerten, als sein Vater noch lebte, bevor das Meer ihn vom Land holte und ihn mit sich in ihre Tiefen mit nahm, an jenen Ort, wo die Fische und Früchte waren, die er sein Leben lang fing und von ihnen lebte. Für Mohamed war dieser Gedanke auf eine eigenartige Weise eine beruhigende Vorstellung, dass der Ozean, von dem sein Vater lebte, ihn zu sich holte. Es war ein gerechter Tod. Allah ist groß.
Hinter ihm war seine Heimat, die wunderschöne, geschichtenreiche und stolze Küste von Xaafuun, in Puntlaand, welches von dem Imperium, nicht vom Rest von Soomaaliya unterschieden und anerkannt wird.
Jenes Imperium, welches die Ungerechtigkeiten verteidigt. Im Gegensatz zur See, nehmen und geben sie nicht, stattdessen nehmen sie lediglich. Jedoch heute werden wir unseren Teil zurück holen, den sie uns und dem Meer, feige, ohne zu teilen und ohne Ehrwürdigung, das Meer verschmutzend, entrissen haben, wir werden sie von ihrem so heiß geliebten Gold erleichtern. Denn sie nahmen uns unsere Fische und unsere Würde. Allahu Akbar!”, dachte Mohamed, die letzte Phrase, in das schäumende, spuckende und tosende Meer hinein rufend.
In ihm stieg ein Gefühl hoch, welches ihn mit all den ungerecht behandelten Brüdern und Schwestern auf der ganzen Welt verbunden fühlen lies. Er fühlte sich als ob er für sie alle, und nicht nur für seine Geschwister und seine Mutter, und ihr überleben, sondern auch für ihre Würde und für die Gerechtigkeit kämpfen täte, um sie zu vertreten, um ihnen eine Stimme zu geben, welche gehört wird. Denn die anderen Menschen der Welt sollen davon hören und sehen was hier geschieht, und verstehen dass keiner in seinem täglichen Kampf alleine ist und wir gemeinsam kämpfen, und gemeinsam kämpfen sollten.
Mohamed wusste nicht was er von diesem Gefühl halten sollte. Jedoch eines wusste er genau, würde er es nicht tun, würde er in enttäuschte Kinderaugen, von seiner Schwester und seinem Bruder blicken, wenn sie ihrem großen Bruder und Helden entgegen laufen würden, in Hoffnung, dass er etwas zu essen mitbringe.
Diese Vorstellung zerriss ihm das Herz, viel zu lang hatte er diesen hoffenden Augen in ihre tiefen Abgründe blicken müssen, viel zu lange wollten alle möglichen, genauso verzweifelten Arbeitgeber, Schlepper und Politiker missbrauchen. Nun nahm er sein Schicksal selber in die Hand, unternahm etwas selbstständig, zusammen mit seinen Freunden und Leidensgenossen.
Dieser Haifisch eines Bootes, war nun ihre Zukunft, ungewiss, aber zielstrebig der Zukunft entgegen, einer besseren Zukunft entgegen. Er dachte an die Ausfahrten mit seinem Vater, damals mit Netzen und Haken bewaffnet, heute mit Maschinenpistolen und ohne Gesang des Einklangs.
Mit einem Blick in jene Richtung, in der vor einem, ewig wirkenden Augenblick noch die Küste am Horizont zu sehen war, und nun von dunklem ozeanischem Blau ausgetauscht wurde, dachte Mohammed, mit seinem Hang zur Dramatik von Geschichte und Weltpolitik, an all die Sklaven welche sich auch von jener Küste, auf Schiffen und Booten, von ihrer Heimat entfernten. Auch wenn er nun frei ist, fühlte er sich doch noch verbunden mit all den versklavten Seelen, von damals und heute.
Mit diesem Gedanken erinnerte er sich an eine Frau welche in seiner Nachbarschaft lebte. Eine frau welche immer wunderbare Bilder von der Küste zeichnete. Aber er erinnerte sich im speziellen an ein Bild das er gesehen hatte, als er einmal als kleiner Junge, unter ihrer Obhut war, weil seine Eltern nicht in der Stadt waren.
Er konnte sich zwar nicht mehr erinnern, wie es ausgesehen hatte, aber er wusste noch ganz genau was die Dame ihm erklärte. Sie erklärte ihm, dass sie mit dem Bild ausdrücken wollte, wie Sklaven mit ihrem Schicksal der Welt vor Augen führen, wie beschämend es ist Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe anders zu behandeln.
Sie wollte das Bild jedoch noch viel tiefgreifender verstanden haben. Die Sklaven sollten als Boten gesehen werden, die den Menschen der Welt zeigen wie sehr sie verbunden sind, und dass wir alle immer im gleichen Boot sitzen. Sie sollen uns zeigen wie schnell man diese Verbundenheit abgesprochen bekommen kann, und zur Ware wird.
So meinte sie, dass dies genauso zwischen Armen und Reichen ist, sie alle sitzen im gleichen Boot, jeder in seiner Welt lebend, aber verbunden.
Traurig fand sie es nur, wenn dann ein Teil der Menschen, nur des Goldes zu liebe, blind, genau dies, diese Verbundenheit vergessen.
Somit wollte sie das Boot als Botschaft, auf einer Reise verstehen, an die Menschen da draußen, dass egal wie wild und willkürlich wir zusammen kommen, wir immer im gleichen Boot sitzen. Sie wollte die Menschen damit wieder an die Verbundenheit aller erinnern, und die daraus resultierende Realität der Nächstenliebe.
An dieses Erlebnis denkend, begann Mohammed sich als solch ein Bote zu fühlen, jemand der die Welt wachrütteln wird und sie an ihre Verbundenheit, und das damit verbundene Leid in seiner Heimat und an so vielen anderen Orten der Ungerechtigkeit erinnern werde.
Er hätte am liebsten der ganzen Welt, jenes Bild zum Geschenk gemacht, auf dass sie einander als Geschwister, als Teil der Natur, eines Ganzen, wieder sehen, und auf sich wieder aufpassen, und nicht weiter vom schwären Gold und Glitzer der Welt und der Zukunft, geblendet werden, sondern wieder von dem alles verbindenden Meer getragen fühlen, verbunden fühlen, nicht mehr fern und fremd.
Er fühlte sich beschützt von dem Meer, von seinem Vater, welcher dort nun lebte, und fühlte sich nun geradezu auf einer heiligen Mission. Er vergas alle Sorgen, und war nur noch überzeugt, dass er absolut gerecht handle, wenn er nun das Gold der Reichen nahm und es den hungernden an der Küste gab.
Er blickte in das erleuchtend blendende Licht der Sonne, und sprach…
…Allahu Akbar.
Ein paar Tage später, irgendwo auf der Welt:
Die Nachrichten zeigten eine Flotte auf hoher See, schwärst bewaffnet und imponierend. Ein stolzer Admiral, in feinster Uniform, vertrat die Multinationale Flotte, und focht gegen die Argumente der Journalisten.
Er beklagte die Opfer, welche in der jüngsten Piratenattacke, nicht zu vermeiden waren. Er hielt sein Statement kurz und zitierte erneut die rechtlichen Grundlagen der Task Force, und die damit verbundene multinationale Legitimation für den Krieg gegen die Piraterie, und somit auch für das Töten der gesamten Piraten Crew aus der Distanz.
Der kurze und geradezu gejagte Takt der Nachrichtenberichte, wechselte das Thema, mit einem letzten Blick aus dem Hubschrauber über der mächtigen Flotte. Die Nachrichten schlossen mit einem ausführlichen Bericht über die neueste sensationelle Sängerin aus Großbritannien an, welche nun einen mit mehreren Millionen Pfund notierten Vertrag mit Warrner abgeschlossen hatte, und sie zur Sängerin für den neuesten und mit noch nie da gewesenen Aufwand produzierten Piratenfilm, aus erkor, und sie zu einen der vielen Stars in diesem Film machte.
„Man stelle sich vor was sie sich mit all diesem Geld, an Schmuck und Gold, und was für ein Leben leisten kann!?“, wirft eine fein heraus geputzte, vor einer Weltkarte sitzende, in die Kamera lächelnde, engelhafte Nachrichtensprecherin unbeholfen ein.
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